Sonntag, 1. November 2009

Zweiter Anlauf für Second Life: Nun soll das Business kommen

Leerlauf. Vor zwei Jahren der große Hype, ist Second Life heute verödet. Virtuelle Meetings und Bildungsprojekte sollen es wiederbeleben.

Im Film „I am Legend" zieht Will Smith als Virologe Robert Neville im Jahre 2012 als letzter Überlebender einer tödlichen Virusattacke durch die Straßen von New York. Ähnlich einsam fühlt sich, wer im Herbst 2009 einen Rundgang durch Second Life ­unternimmt. Wo vor zwei Jahren noch digitales Leben pulsierte, ist es heute bei einem Rundgang zwischen ­virtuellem Opernring und Stephansdom schwierig, überhaupt einen anderen Avatar anzutreffen.
Ein typischer Fall von Medienhype, lautet heute der Tenor der Experten. Dabei wurden früher die unendlichen Möglichkeiten der virtuellen Welt über den grünen Klee gelobt. So wagten nicht nur Unternehmen den Schritt „Inworld" sondern auch ganze Länder - beispielsweise Schweden, welches 2007 eine virtuelle Vertretung eröffnete. 2009 existiert diese zwar immer noch, im dazugehörigen Blog bekunden die Betreiber jedoch Schwierigkeiten, schwedische Unternehmen für ­Kooperationen zu interessieren.
So schnell, wie sie 2007 auf den Hype aufgesprungen sind, haben Unternehmen wie BMW, Starwood Hotels oder Adidas ein Jahr später ihre virtuellen Niederlassungen auch wieder geschlossen. „Die Kampagne in ­Second Life wurde nach knapp einem Jahr beendet, um in der schnelllebigen digitalen Welt neue innovative Möglichkeiten zu erörtern", heißt es auf Nachfrage von Adidas, die auf einer eigenen Insel einen virtuellen Sportschuh mit den berühmten drei Streifen vertrieben.

Doch Totgesagte leben manchmal eben doch länger - „Second Life wird immer noch weiterentwickelt", sagt Peter Harlander. Der Salzburger Anwalt hat vor zwei Jahren Second Promotion gegründet, eine Marketingagentur, die sich ganz auf Second Life spezialisiert hat. 2007 eröffnete er in der virtuellen Welt Nachbauten von Wien und Salzburg und organisierte Touren für interessierte „Touristen". Die virtuellen Versionen von Wien und Salzburg wurden vor einem Jahr verkauft. Harlanders Fazit: „Unternehmen haben sich zwar für Werbung in Second Life interessiert, dabei ist es allerdings geblieben". Die virtuelle Welt habe es schlussendlich nicht geschafft, ein wirkliches Massenpublikum anzuziehen , zu mehr als zum kurzes Ausprobieren ließen sich die meisten Nutzer nicht verlocken - eine mögliche Erklärung für das nachlassende Interesse der Werbeindustrie. Was Harlander heute noch an der virtuellen Welt fasziniert, ist die Möglichkeit, Inseln, Häuser und Gegenstände frei entwerfen zu können. „Es ist wie eine Schachtel Legosteine für Kinder", sagt Harlander. Denn im Unterschied zu Online-Spielen wie zum Beispiel World of Warcraft, wo Erweiterungen nur innerhalb der Spielregeln möglich sind, schränkt Second Life die Fantasie seiner Bewohner kaum ein.

Nach wie vor setzen die Bereiche Forschung und Bildung auf Second Life, so forscht etwa die Universität Zürich an den Möglichkeiten, die ein virtueller Vorlesungssaal bietet; Psychologen des Sussex County Hospital in Brighton entwickeln ein virtuelles Spital, in dem sich Patienten mit Lernschwierigkeiten über Behandlungen informieren können.
Ein Paradigmenwechsel, ganz im Sinne des Betreibers Linden Lab. 2009 sollen nicht mehr die Consumer, sondern professionelle Anwendungen für Umsätze ­sorgen. Mögliche Einsatzbereiche sind für Mark Kingdon, CEO von Linden Lab, virtuelle Meetings, Vorlesungen, Mitarbeitertrainings und die Entwicklung neuer Produktprototypen, die zunächst „Inworld" getestet werden. Für die Sicherheit sorgt eine eigene Version von Second Life namens „Nebraska", die Unternehmen auf ihren eigenen Servern speichern, „ähnlich wie ein Intranet"; sagt Kingdon. Damit Business-Kunden auch in Europa besser betreut werden können, will Linden Lab in Kürze eine Niederlassung in Amsterdam gründen.

Mark Kingdon sieht in sozialen Netzwerken, wie Facebook oder Twitter, keine wirkliche Konkurrenz zu virtuellen Welten. Diese würden sich „je nach Situation" ergänzen. In den vergangenen beiden Jahren habe sich die Einstellung zur eigenen Internetpräsenz geändert, ist Francoise Legoues, Vicepresident Innovation Initiatives bei IBM überzeugt: „Heute präsentiert man sich meist unter der richtigen Identität im Netz". Der Trend geht weg von Avataren, bei denen niemand genau wisse, wer oder was sich dahinter verbirgt. Dies trifft vor allem den geschäftlichen Gebrauch der eigenen Online-Identität.

Von seiner extensiven Präsenz in Second Life hat sich IBM verabschiedet, daher werden zum Beispiel auch keine Recruiting-Events mehr veranstaltet. Genutzt wird die „Nebraska"-Version vor allem als Tool für ­virtuelle Meetings. Zusätzlich forscht IBM an einem Avatar, der sich in verschiedenen virtuellen Welten, zum Beispiel Second Life und OpenSim, bewegen kann. Ist denn das überhaupt noch Second Life, woran IBM ­arbietet? Für Francoise Legoues ist das nicht eindeutig zu beantworten. „Aber was uns nach wie vor ­interessiert, ist die dahinterliegende Technologie".



Fakten:

Seit 2003 besteht die von Linden Lab entwickelte virtuelle 3D-Welt Second Life. Nutzer können darin kommunizieren, aber auch mit Waren handeln. Bezahlt wird mit Linden Dollars. Die virtuelle Wirtschaft wuchs seit dem zweiten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2009 jährlich um 94 Prozent. Obwohl ­Linden Lab die ­eigenen Umsätze nicht preisgibt, legt CEO Mark Kingdon Wert ­darauf, dass es zumindest in ­Second Life keine Wirtschaftskrise gegeben habe.

Quelle: http://www.wirtschaftsblatt.at/home/service/karriere/394101/index.do



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