Sonntag, 22. November 2009

Steuern zahlt man auch im zweiten Leben

Internet und Rechtsprechung

Auch wer sich nicht für Computerwelten interessiert, lässt sich durch Ailin Gräfs berühmte Lebensgeschichte in den Bann ziehen. Die hessische Lehrerin verdiente angeblich Millionen Dollar mit dem Verkauf virtueller Grundstücke und wurde dafür sogar (in Gestalt ihrer Online-Figur Anshe Chung) auf den Titel der Zeitschrift „Businessweek“ gesetzt. Berühmt wurde sie auch deshalb, weil jemand sie im virtuellen Raum mit Penis-Modellen bombardierte. Das war 2006 - inzwischen haben Juristen Gräfs Einnahmequelle, die virtuelle Welt „Second Life“, nach allen Regeln der Paragraphenkunde durchgeprüft.
An den Anfang jeder sachlichen Auseinandersetzung setzen Rechtswissenschaftler eine Definition. Michael Schumann, Geschäftsführer der Berliner Firma Second Interest, berät seit Jahren Unternehmen, die reales Geld mit virtuellen Welten verdienen. Auf einer Fachtagung der Deutschen Stiftung für Recht und Informatik in Oldenburg umschrieb er diese jüngst als „persistente dreidimensionale Umgebungen im Internet“ - und traf damit eine in der Rechtswissenschaft inzwischen gängige Formulierung. Gemeint ist, dass die Welt in ihrem jeweiligen Zustand weiterexistiert, auch wenn ein Nutzer sie verlässt. Für Skeptiker, die „Second Life“ zusammen mit seinen zahllosen Wettbewerbern als Teil eines längst überholten Trends sehen, hielt Schumann beeindruckende Zahlen parat: Allein in „Second Life“ seien über eine Milliarde Dollar umgesetzt worden; 2012 sollen Schätzungen zufolge mehr als 10 Milliarden Dollar mit virtuellen Gütern umgesetzt werden.


„Die Hefe für den Hype“

Diese Welten finanzieren sich durch Abogebühren sowie durch den Verkauf virtueller Gegenstände - etwa Immobilien oder Kleidung, insbesondere aber Statussymbole wie Markenschuhe, für die Figur, die das eigene Ich des Spielers verkörpert. Diese Inhalte im Internet erstellen und verkaufen zu können sei „die Hefe für den Hype“ nach dem Platzen der Internet-Blase gewesen, vermutet Schumann.


Oft dient als Zahlungsmittel eine eigene Währung. Die Betreiber von „Entropia Universe“ führen inzwischen eine international gültige Banklizenz der schwedischen Finanzverwaltung für ihr reales Institut Mind Bank. Spieler können ihr erwirtschaftetes virtuelles Geld nun an realen Automaten in Währungen wie Euro oder Dollar abheben. Auch die amtliche Begründung des seit November geltenden Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes in Deutschland erwähnt virtuelle Welten ausdrücklich. Die Bundesregierung will die Betreiber demnach nicht als „Zahlungsdienstleister“ sehen - im Regelfall jedenfalls (Drucksache 16/11613).


„Reicht diese alte Schwarte?“

Wie virtuelle Gegenstände und deren „Kauf“ sich im deutschen Zivilrecht einordnen lassen, beschäftigt Doktoranden schon seit längerem. Mietet oder pachtet der Käufer nur den notwendigen Speicherplatz und die Software, die für die Generierung des neuen Schwerts oder einer modischen Hose für die eigene Figur notwendig sind? Oder handelt es sich um einen Rechtskauf? Einen Tausch? Der Lüneburger Professor Jens Schubert spitzte diese Unwägbarkeiten zu: „Reicht diese alte Schwarte?“, fragte er mit Blick auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Doch das mehr als 100 Jahre alte Regelwerk macht seiner Ansicht nach eine gute Figur: Eine Sache im Sinne von § 90 BGB seien die Dinge aus dem Cyberspace zwar mangels Körperlichkeit nicht. Aber der Oberbegriff „Gegenstand“ sei schon nicht mehr auf das Physische beschränkt. Auch wenn einmal nicht feststeht, ob ein „Vertrag“ im elektronischen Raum Spiel oder Ernst ist, könne die traditionelle Lehre der Willenserklärungen auch in moderner Umgebung für Klarheit sorgen: Sogenannte Scherzerklärungen kenne das BGB etwa schon lange (§ 118 BGB).


Doch bevor über Sachfragen gestritten werden kann, muss das richtige Gericht nach dem jeweils anwendbaren Recht entscheiden. Die traditionelle Methode der „Lokalisierung von Rechtsverhältnissen“ im Internationalen Privatrecht schneide sich da mit dem „entlokalisierten“ Internet, seufzte Robert Freitag von der Universität Hamburg. Zumindest im Verhältnis zwischen Betreiber und Verbraucher würde eine Rechtswahl durch zwingende Verbraucherschutznormen durchlöchert. Die Spielewelt „World of Warcraft“ zeichne diese Besonderheit sogar in ihren Klauseln nach; anderen Anbietern wird das Heft durch entsprechende Normen in deutschem und europäischem Recht aus der Hand geschlagen. Eine einheitliche Rechtswahl für das Netz aller Beteiligten in einer virtuellen Welt, wie sie etwa die „Rom-I-Verordnung“ der EU für den Börsenhandel vorsieht, würde zwar zu mehr Einheitlichkeit führen. Eine entsprechende Analogie hält der Jurist jedoch für unzulässig.


Gekauftes „Land“ sei durchaus zu bilanzieren

Ist der Kauf perfekt, können handfeste Bilanzierungsprobleme auftauchen, berichtete der Wirtschaftsprüfer Heinz-Wilhelm Appelhoff von der Treuhand Oldenburg - eine gekaufte Insel in „Second Life“ bringe „die Dame in der Buchhaltung“ nämlich durchaus ins Schleudern. Dabei sei gekauftes „Land“ durchaus zu bilanzieren, warnte Appelhoff. Im Handelsgesetzbuch sei nicht die sachenrechtliche Einordnung, sondern die wirtschaftliche Sicht entscheidend. Der Begriff des Vermögensgegenstands im Handelsgesetzbuch stelle nicht auf Körperlichkeit, sondern allein auf Individualisierbarkeit und Nutzen ab. Schwierig zu bewerten seien allerdings selbstkreierte Objekte, die als Umlaufvermögen eingebracht werden dürfen. „Entscheidend ist, ob dafür ein Markt erkennbar ist“, schloss Appelhoff - und im Zweifel führt das Vorsichtsprinzip zur Ausbuchung.


Christian Ravenstein, Steuerrechtler aus Binnen, überraschte schließlich mit einer fiskalischen Kuriosität: Bei Geschäften in Second Life müsste seiner Ansicht nach Umsatzsteuer entrichtet werden - und zwar, anders als in der Realität, auch für den Bezahlvorgang. Das Bundesfinanzministerium sehe Lindendollar nicht als Währung im Sinne des Umsatzsteuerrechts, der virtuelle Kauf sei somit steuerrechtlich als „tauschähnlicher Vorgang“ zu sehen.

Die hessische „Second Life“-Ikone Ailin Gräf muss sich über derlei Fragen nicht den Kopf zerbrechen. Ihr Unternehmen sitzt in China, wo virtuelle Welten sehr verbreitet sind - wie es heißt, ist ihr das Geschäft in Deutschland zu bürokratisch.

Quelle: Wieduwilt, Hendrik: Steuern zahlt man auch im zweiten Leben, 19.11.2009,




Dienstag, 3. November 2009

Eine Milliarde Stunden und eine Milliarde Dollar: Second Life feiert wichtige Meilensteine in der Geschichte virtueller Welten

Neue Linden Lab-Statistik zeigt hohes Nutzer-Engagement und weltweit größtes, nutzergeneriertes Wirtschaftssystem virtueller Güter.


München, 22. September 2009 — Linden Lab®, Entwickler der virtuellen 3D-Welt Second Life®, gibt bekannt, dass die Bewohner von Second Life umgerechnet mehr als eine Milliarde Dollar untereinander umgesetzt und dabei insgesamt über eine Milliarde Stunden in der virtuellen Welt verbracht haben. Diese Zahlen belegen die wachsende wirtschaftliche Bedeutung virtueller Welten. Weitere Statistiken des Unternehmens zeigen auf, wie umfangreich das Geschäft mit virtuellen Gütern und wie hoch die Beteiligung und das Engagement der Nutzer in Second Life sind.

Seit ihrem Start lebt die dreidimensionale Welt von Second Life vom Einfallsreichtum und der Kreativität ihrer Bewohner. Mittlerweile ist dort nahezu jedes Land der Erde und eine Vielzahl unterschiedlichster Kulturen vertreten. Die Second Life-Community nutzt die virtuelle Welt zum Austausch, zum Entwerfen und Gestalten sowie zur Kollaboration und Kommunikation – über alle Sprach- und Ländergrenzen hinweg. Eine Welt ohne Grenzen und das Engagement der Nutzer haben die folgenden Meilensteine in der Geschichte von Second Life erst möglich gemacht:

•Insgesamt verbrachten die Nutzer auf der ganzen Welt mehr als eine Milliarde Stunden in Second Life.

Das entspricht ungefähr 115,000 Jahren, die dafür genutzt wurden, um online Freunde zu treffen, Live-Konzerte zu besuchen, virtuelle Güter zu erschaffen, zu verkaufen und zu kaufen, fremde Sprachen zu lernen, an Business-Meetings teilzunehmen und vieles andere mehr. Die Nutzerstunden sind dabei jedes Jahr um 33 Prozent gewachsen und haben im zweiten Quartal 2009 eine Rekordzahl von 126 Millionen erreicht.

•Die Bewohner verbringen durchschnittlich rund 100 Minuten pro Besuch in Second Life.

Diese durchschnittliche Verweildauer ist wesentlich höher als bei anderen sozialen Netzwerken und verdeutlicht die starke Bindung der Bewohner an Second Life.

•Insgesamt wurde von den Bewohnern in Second Life umgerechnet mehr als einer Milliarde US-Dollar untereinander umgesetzt.

Die Inworld-Wirtschaft wuchs seit dem zweiten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2009 jährlich um 94 Prozent. Heute werden beinahe 50 Millionen US-Dollar pro Monat durch Transaktionen zwischen den Nutzern umgesetzt, so dass in Second Life ein jährlicher Erlös von mehr als einer halben Milliarde Dollar erwirtschaftet wird. Somit stellt Second Life das größte virtuelle Wirtschaftssystem der Welt dar.

•Bewohner erschaffen mehr als 250.000 neue virtuelle Güter pro Tag – von Kleidung über Autos und Gebäuden bis hin zu automatischen Übersetzungsprogrammen. Derzeit gibt es über 270 Terabyte an Inhalten in Second Life. Diese Zahl wächst jährlich um circa 100 Prozent.

•Seit seiner Einführung in 2007 wurden 18 Milliarden Minuten Voice Chat in Second Life genutzt.

Die Anzahl an Sprachminuten wuchs seit dem zweiten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2009 um jährlich 44 Prozent; sechs Milliarden Minuten allein in 2009. Das macht Second Life zu einem der führenden Voice Over IP-Anbieter(VoIP).

•Jede Sekunde werden in Second Life etwa 1.250 Textnachrichten verschickt,

während an einem durchschnittlichen Tag mehr als 600 Millionen Wörter geschrieben werden. Ungefähr 60 Prozent der aktiven Second Life-Nutzer kommen nicht aus den USA und vertreten über 200 verschiedene Länder auf der ganzen Welt. Der Second Life Viewer ist in 10 Sprachen erhältlich.

•Die gesamte Fläche von Second Life entspricht heute circa zwei Milliarden Quadratmetern – was ungefähr die Größe von Rhode Island ist.

Die Landfläche ist seit dem ersten Quartal 2009 um 18 Prozent gewachsen, seit dem ersten Quartal 2008 sind es sogar rund 75 Prozent. Linden Lab als ursprünglicher Anbieter des virtuellen Landes ist damit nicht nur Anbieter der weltgrößten Handelsplattform für virtuelle Waren, sondern gleichzeitig einer der führenden Verkäufer virtueller Güter.

Die innovativen Möglichkeiten zur Erstellung von Inhalten und zum Verkauf von Waren – zusammen mit der Tatsache, dass die Bewohner über die IP-Rechte ihrer Inworld-Inhalte verfügen – haben Second Life zu einer führenden Plattform für Nutzer-erstellte Inhalte und zum größten Umschlagplatz für virtuelle Waren weltweit gemacht. Der Inhalt, der von den Bewohnern in Second Life erstellt und verkauft wird, macht die virtuelle Welt nicht nur zu einem Erlebnis für Privatpersonen, sondern auch zu einer nützlichen Plattform für Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus bietet Second Life alle unternehmerischen Möglichkeiten für Urheber von Inhalten, die von ihren Kreationen direkt profitieren können.

Eine große Bandbreite von Aktivitäten trägt zu den mehr als 40 Millionen Stunden bei, die Bewohner jeden Monat in Second Life verbringen. Die Bewohner knüpfen und stärken soziale Kontakte, indem sie beispielsweise gemeinsam die Umgebungen erforschen, zu Live-Musik tanzen, Kunstgalerien besuchen, fremde Sprachen lernen, auf den virtuellen Meeren segeln oder selbst neue Inhalte erschaffen. Unternehmer aus der ganzen Welt haben in Second Life erfolgreiche Geschäfte aufgebaut. Sie verkaufen ihre virtuellen Waren und Dienstleistungen und erzielen daraus reale Gewinne. Hunderte von Universitäten und Unternehmen – darunter zahlreiche Fortune-500-Unternehmen – nutzen Second Life als Plattform zum Lernen, für Meetings und Veranstaltungen sowie zur Zusammenarbeit und Entwicklung von Prototypen.

„Die vorliegenden Kennzahlen verdeutlichen die entscheidenden Aspekte von Second Life – zum einen das fesselnde Wesen von 3D-Welten an sich, zweitens der hohe Gebrauch von Second Life als Kommunikationsplattform und schließlich die starke Wirtschaftskraft, die auf der großen Anzahl einzigartiger virtueller Waren basiert, die von den Nutzern selbst geschaffen werden“, erklärt Mark Kingdon, CEO von Linden Lab. „Diese Zahlen sind ein Beleg für den heutigen Erfolg von Second Life und seiner Bewohner. Sie bestätigen die Führungsposition von Linden Lab im Bereich der virtuellen Welten. Dieses Jahr ist ein zweiter Startschuss für Second Life gefallen. Wir sind bestens dafür aufgestellt, unser Wachstum in 2010 durch verschiedene strategische Initiativen weiter zu stärken. Damit möchten wir das Second-Life-Erlebnis unserer bisherigen Bewohner noch verbessern und unseren Ausbau durch neue Nutzer vorantreiben.“

Über Second Life und Linden Lab

Second Life ist eine 3D-Online-Welt mit einer schnell wachsenden Bevölkerung aus 100 Ländern weltweit. Die Bewohner bauen und gestalten diese Welt selbst, in der es Häuser, Fahrzeuge, Nachtclubs, Läden, Landschaften und Kleidung gibt.

Das Second Life Grid ist eine fortgeschrittene Entwicklerplattform von Linden Lab, ein Unternehmen, das Philip Rosedale im Jahr 1999 gegründet hat, um eine völlig neue Art des gemeinschaftlichen 3D-Erlebens zu schaffen. Als ehemaliger CTO von RealNetworks war Rosedale an der Entwicklung zahlreicher heutiger Streaming Media-Technologien wie RealVideo ganz vorne mit dabei. Im April 2003 wurde der renommierte Software-Pionier Mitch Kapor, Gründer der Lotus Development Corporation, zum Vorsitzenden von Linden Lab ernannt. Im Jahr 2006 erhielten Philip Rosedale und Linden Lab den WIRED Rave Award for Innovation in Business. Der Sitz des Unternehmens befindet sich in San Francisco, wo Linden Lab ein erfahrenes Team aus Mitarbeitern mit hervorragenden Kompetenzen in den Bereichen Physik, 3D-Grafik und Netzwerke beschäftigt. Linden Lab wird vom CEO Mark Kingdon geleitet und hat more über 300 MItarbeiter in den USA, Europa und Asien. Second Life® und Linden Lab® sind eingetragene Warenzeichen der Linden Research, Inc.

Weitere Informationen über das Unternehmen finden sich unter www.lindenlab.com, über die virtuelle Welt Second Life unter www.secondlife.com.
Für weitere Informationen oder Bildmaterial wenden Sie sich bitte an:

Arnica Freundt oder Patricia Dittmar bei OCTANE, einem Geschäftsbereich von LEWIS:

Baierbrunner Straße 15

81379 München

E-Mail: arnicaf@octanepr.com

Web: www.octanepr.de

Telefon: 089 / 173019-37/-14

Fax: 089 / 173019-99

patriciad@octanepr.com

Quelle: http://lindenlab.com/pressroom/releases/de_22_09_09

Sonntag, 1. November 2009

Zweiter Anlauf für Second Life: Nun soll das Business kommen

Leerlauf. Vor zwei Jahren der große Hype, ist Second Life heute verödet. Virtuelle Meetings und Bildungsprojekte sollen es wiederbeleben.

Im Film „I am Legend" zieht Will Smith als Virologe Robert Neville im Jahre 2012 als letzter Überlebender einer tödlichen Virusattacke durch die Straßen von New York. Ähnlich einsam fühlt sich, wer im Herbst 2009 einen Rundgang durch Second Life ­unternimmt. Wo vor zwei Jahren noch digitales Leben pulsierte, ist es heute bei einem Rundgang zwischen ­virtuellem Opernring und Stephansdom schwierig, überhaupt einen anderen Avatar anzutreffen.
Ein typischer Fall von Medienhype, lautet heute der Tenor der Experten. Dabei wurden früher die unendlichen Möglichkeiten der virtuellen Welt über den grünen Klee gelobt. So wagten nicht nur Unternehmen den Schritt „Inworld" sondern auch ganze Länder - beispielsweise Schweden, welches 2007 eine virtuelle Vertretung eröffnete. 2009 existiert diese zwar immer noch, im dazugehörigen Blog bekunden die Betreiber jedoch Schwierigkeiten, schwedische Unternehmen für ­Kooperationen zu interessieren.
So schnell, wie sie 2007 auf den Hype aufgesprungen sind, haben Unternehmen wie BMW, Starwood Hotels oder Adidas ein Jahr später ihre virtuellen Niederlassungen auch wieder geschlossen. „Die Kampagne in ­Second Life wurde nach knapp einem Jahr beendet, um in der schnelllebigen digitalen Welt neue innovative Möglichkeiten zu erörtern", heißt es auf Nachfrage von Adidas, die auf einer eigenen Insel einen virtuellen Sportschuh mit den berühmten drei Streifen vertrieben.

Doch Totgesagte leben manchmal eben doch länger - „Second Life wird immer noch weiterentwickelt", sagt Peter Harlander. Der Salzburger Anwalt hat vor zwei Jahren Second Promotion gegründet, eine Marketingagentur, die sich ganz auf Second Life spezialisiert hat. 2007 eröffnete er in der virtuellen Welt Nachbauten von Wien und Salzburg und organisierte Touren für interessierte „Touristen". Die virtuellen Versionen von Wien und Salzburg wurden vor einem Jahr verkauft. Harlanders Fazit: „Unternehmen haben sich zwar für Werbung in Second Life interessiert, dabei ist es allerdings geblieben". Die virtuelle Welt habe es schlussendlich nicht geschafft, ein wirkliches Massenpublikum anzuziehen , zu mehr als zum kurzes Ausprobieren ließen sich die meisten Nutzer nicht verlocken - eine mögliche Erklärung für das nachlassende Interesse der Werbeindustrie. Was Harlander heute noch an der virtuellen Welt fasziniert, ist die Möglichkeit, Inseln, Häuser und Gegenstände frei entwerfen zu können. „Es ist wie eine Schachtel Legosteine für Kinder", sagt Harlander. Denn im Unterschied zu Online-Spielen wie zum Beispiel World of Warcraft, wo Erweiterungen nur innerhalb der Spielregeln möglich sind, schränkt Second Life die Fantasie seiner Bewohner kaum ein.

Nach wie vor setzen die Bereiche Forschung und Bildung auf Second Life, so forscht etwa die Universität Zürich an den Möglichkeiten, die ein virtueller Vorlesungssaal bietet; Psychologen des Sussex County Hospital in Brighton entwickeln ein virtuelles Spital, in dem sich Patienten mit Lernschwierigkeiten über Behandlungen informieren können.
Ein Paradigmenwechsel, ganz im Sinne des Betreibers Linden Lab. 2009 sollen nicht mehr die Consumer, sondern professionelle Anwendungen für Umsätze ­sorgen. Mögliche Einsatzbereiche sind für Mark Kingdon, CEO von Linden Lab, virtuelle Meetings, Vorlesungen, Mitarbeitertrainings und die Entwicklung neuer Produktprototypen, die zunächst „Inworld" getestet werden. Für die Sicherheit sorgt eine eigene Version von Second Life namens „Nebraska", die Unternehmen auf ihren eigenen Servern speichern, „ähnlich wie ein Intranet"; sagt Kingdon. Damit Business-Kunden auch in Europa besser betreut werden können, will Linden Lab in Kürze eine Niederlassung in Amsterdam gründen.

Mark Kingdon sieht in sozialen Netzwerken, wie Facebook oder Twitter, keine wirkliche Konkurrenz zu virtuellen Welten. Diese würden sich „je nach Situation" ergänzen. In den vergangenen beiden Jahren habe sich die Einstellung zur eigenen Internetpräsenz geändert, ist Francoise Legoues, Vicepresident Innovation Initiatives bei IBM überzeugt: „Heute präsentiert man sich meist unter der richtigen Identität im Netz". Der Trend geht weg von Avataren, bei denen niemand genau wisse, wer oder was sich dahinter verbirgt. Dies trifft vor allem den geschäftlichen Gebrauch der eigenen Online-Identität.

Von seiner extensiven Präsenz in Second Life hat sich IBM verabschiedet, daher werden zum Beispiel auch keine Recruiting-Events mehr veranstaltet. Genutzt wird die „Nebraska"-Version vor allem als Tool für ­virtuelle Meetings. Zusätzlich forscht IBM an einem Avatar, der sich in verschiedenen virtuellen Welten, zum Beispiel Second Life und OpenSim, bewegen kann. Ist denn das überhaupt noch Second Life, woran IBM ­arbietet? Für Francoise Legoues ist das nicht eindeutig zu beantworten. „Aber was uns nach wie vor ­interessiert, ist die dahinterliegende Technologie".



Fakten:

Seit 2003 besteht die von Linden Lab entwickelte virtuelle 3D-Welt Second Life. Nutzer können darin kommunizieren, aber auch mit Waren handeln. Bezahlt wird mit Linden Dollars. Die virtuelle Wirtschaft wuchs seit dem zweiten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2009 jährlich um 94 Prozent. Obwohl ­Linden Lab die ­eigenen Umsätze nicht preisgibt, legt CEO Mark Kingdon Wert ­darauf, dass es zumindest in ­Second Life keine Wirtschaftskrise gegeben habe.

Quelle: http://www.wirtschaftsblatt.at/home/service/karriere/394101/index.do